Wahl der Qual Schmerzen Tattoo

Kein Bock auf Schmerzen - Die Wahl der Qual

Nach den grundlegenden Informationen zum Thema „Tätowieren verursacht Schmerzen“, geht es weiter mit der Frage, ob man diese Symbiose nicht zugunsten der Schmerzfreiheit in irgendeiner Art und Weise auflösen kann.

 

Die schlechte Nachricht mal vorweggenommen: Alles hat seinen Preis und im Falle von Tattoos ist der Tribut immer der Schmerz. Solange das Tattoo im wachen und nüchternen Zustand gestochen wird, ist diese Tatsache zunächst einmal unausweichlich. Es gäbe allerdings einen Ausweg, um das Dilemma zu lösen, hierzu müsste man sich aber in eine Vollnarkose begeben, oder zumindest in einen ordentlichen Dämmerzustand.

 

Da dies nur mit äußerst starken Medikamenten möglich ist, die in der Regel auch noch mehrere Fachleute sehr genau dosieren, kann man dies definitiv nicht für den praktischen Studiogebrauch vorsehen. Zudem sieht man am Beispiel des prominenten Propofol Missbrauchs, dass selbst mit fachärztlicher Unterstützung die Wirkung völlig unberechenbar sein kann. Zwar mag dieser Gedanke der Vollnarkose, oder der Schmerzausschaltung im Zusammenhang mit Tätowierungen nun absurd klingen.

 

Ebenso gibt es auch genug Stimmen, die zum Thema Schmerzen ein anderes Verhältnis haben und manchmal diesen Reiz sehnsüchtig brauchen, um beispielsweise ihrem Lustempfinden den entscheidenden Kick zu geben, oder einfach nur grundsätzlich zu spüren, dass sie noch leben. Auch die Stimmen mit „Stell dich nicht so an, beiß die Zähne zusammen“ äußern mit Sicherheit gerade die ganz harten Zeitgenossen, die in der Tat auf körperliche Verletzungen und den daraus resultierenden Schmerz vergleichsweise stumpf reagieren.

 

Diese Stimmen der Algolagnie haben ihre besondere Prägung, Erfahrung und somit ein von der Masse abweichendes Schmerzverhalten. Doch das Prinzip der Vielfalt macht diese völlig unterschiedlichen Empfindungen und Typen erst möglich. Manchmal ist ein seelischer Schmerz besonders stark und dauerpräsent, er verschwindet nicht ohne Weiteres. Hier findet  dann sogar ein Anfreunden mit dem körperliche Schmerz statt, die Rasierklinge transformiert zum ritzenden Seelentröster. Der körperliche Schmerz löscht hier für einen Augenblick den seelischen Schmerz aus.

 

Die Musik kennt das Phänomen als Interferenz. Mindestens zwei Frequenzen mit identischer Wellenlänge, jedoch unterschiedlichen Amplituden löschen, oder verstärken sich. Jedoch stellt sich an dieser Stelle eine gegensätzliche Frage. Wenn ich einfach keinen Bock und Bedarf auf Schmerzen habe und mich schon allein die Schmerzvorstellung stresst, schwächt und mir sogar Angst macht. Dann nehme ich mir das Recht heraus, alles Mögliche zu unternehmen, um schmerzfrei zu sein.

 

Nur ich empfinde das Leiden und keiner hat die Fähigkeit dies aus seiner externen Position heraus zu beurteilen, oder kann dies annähernd bewerten. In der Regel erfährt diese Bewertung gleichzeitig eine Abwertung. Jemand der Schmerzen aushält ist der Bringer, jemand der offensichtlich leidet ist hingegen ein Schwächling. Wenn der Zahnarztbesuch eine angsterfüllte und schmerzhaften Tortur ist und der Patient schon mit der Vorahnung des Schmerzes in die Praxis kommt, dann wird schnell klar warum die Anästhesie die häufigste Anwendung im Dentalbereich ist.

 

Wer von den vorher genannten Algophilen, beim Zahnarztbesuch ganz bewusst auf eine ordentliche Injektion Ultracain verzichtet, hat dies für sich selbst entschieden. Diese Entscheidung ist zu respektieren. Gleichzeitig sollte aber auch der Wunsch nach einer schmerzfreien Zeit diesen Respekt erfahren. Wünschen werdende Mütter bei der Geburt eine PDA, so wird dieser Wunsch gewürdigt und respektiert.

 

Wie unpassend ist dann an dieser Stelle das Argument, der Großteil der Kinder kam und kommt ohne eine neumodische Betäubung des mütterlichen Rückenmarks auf die Welt, oder „Das soll die mal schön aushalten, ist schließlich im Sinne des Erfinders“. Ebenso ist heutzutage ein medizinisch notwendiger, oder ästhetischer Eingriff ohne Betäubung kaum noch denkbar. Auch wenn es einen Unterschied zwischen medizinisch notwendigen und rein schönheitsbezogenen OPs gibt, ist das Ziel der Eingriffe oft gleich: den Patienten in einem besseren Zustand abliefern, als er eingeliefert wurde. Und glücklicheren.

 

Warum also sollte man dieses Ergebnis mit einem vermeidbaren Schmerztrauma gefährden? Und warum sollte dieser Anspruch nicht auch beim Tätowieren möglich sein?